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Das Gefühl, einen GM zu schlagen
Möhnesee, 20. August 2012: Das A-Open-Turnier am Möhnesee gewann mit Alexander Hilverda (SC Erlangen) ein Außenseiter. Dass der einzige Großmeister im Feld, der Niederländer Viesturs Meijers am Ende als Topgesetzter nur auf Rang 19 landete, daran hatte ein passives MSHS-Mitglied großen Anteil. Dirk Jansen (SvG Plettenberg) zwang Meijers in der 2. Runde sensationell in die Knie und wurde am Ende mit 4,5 Zählern Zwölfter. Valerian Giraud (SG Bochum 31) als zweites passives MSHS-Mitglied im Feld belegte Rang 48 (3,5 Punkte). Dirk Jansen beschreibt sein Turnier.

Von Dirk Jansen

Erst kurzfristig hatte ich entschieden, am Möhnesee mitzuspielen – es sollte sich als gute Entscheidung herausstellen. Das letzte Turnier dieser Art spielte ich letztes Jahr in Gau-Algesheim und habe eher mau gespielt und die Saison war ja auch eher durchwachsen. Die Niederlage gegen Frank Steinhage im Verbandspokal war da negativer Höhepunkt - diese alleine hatte über 20 DWZ-Punkte gekostet. Der erstmalige Sieg im Bezirkspokal sowie der Erfolg bei der Schalksmühler Gemeindemeisterschaft nach einem Marathonsieg gegen Windfuhr in der letzten Runde waren positiv. So fuhr ich, völlig ohne Training, 4 Tage lang jeden Tag von Kreuztal zum Möhnesee, was über 1000km waren, aber günstiger als dort wohnen. Vor allem das morgendliche Fahren hatte was Entspannendes.

Zum Turnier: Es war voll, knapp 200 Teilnehmer, und mit jedem Tag wurde es heißer – und je heißer es wurde, desto länger die Partien. Als Nr. 21 gesetzt musste ich der ersten Runde gegen den jungen Robin Bentel (DWZ 1947/DWZ 1870/Jg 1998) spielen. Ein 14 jähriger mit knapp 1974 – gefährlich. Mit Weiß spielte ich das ganze Turnier c4 und dies erwies sich nicht als Nachteil. Nach einer immer leicht vorteilhaften Stellung und deutlich mehr Zeit verkomplizierte ich die Stellung und konnte nach einem Fehlgriff seinerseits sowie noch 15 Zügen bei 30 Sekunden Rest für ihn den ersten Punkt nach gut 3 Stunden einfahren.

Am nächsten Morgen sah ich mal ins Netz und es wartete die Nummer 1 – GM Viesturs Meijers (2469/2485) auf mich. Ich hatte wieder Weiß und hatte mir kurz angesehen, was er so spielt und das kam dann auch aufs Brett. Ich verließ mich auf eine Empfehlung von Fritz, die es in der Theorie nicht gab und kam so erstaunlich gut ins Mittelspiel. Er hatte Druck auf meinen Isolanie d4, der aber nicht so stark wurde, das er fiel. Ich fand dann ein recht kompliziertes taktisches Manöver, das aber an sich für einen Großmeister kein Thema sein sollte. Doch so nicht an diesem Tag. Er übersah einen Zwischenzug mit Springergabel von mir, der ihn direkt ins Verderben führte und so fuhr ich die Sensation der 2. Runde ein. Ein Mitspieler meinte, das sei das erste Mal seit Jahren, dass Meijers nicht an Brett 1-3 spielen müsse. Überraschungen gab’s anfangs genug. IM Boidmann verlor sofort gegen André Weber, wurde aber mit 6/7 zweiter. Meijers kam nur auf 4,5, er verlor später nochmal, war aber sportlich genug, das Turnier zu Ende zu spielen, was nicht selbstverständlich ist in diesen Kreisen.

Mit diesem ersten Sieg gegen einen GM konnte mir nichts mehr passieren! Ich durfte nachmittags gegen FM Adrian Clemens (2220) aus Holland ran – die Partie war wenig spektakulär und ich konnte mit Holländisch ins remis flüchten und fuhr glücklich heim um mit meiner Freundin den Erfolg zu feiern. 2,5/3 mit solchen Gegnern!

Am Samstag musste ich gegen Marcel Harff (2205/2252) ran, gegen Dawid vor Wochen mit Pech remisierte. Ich spielte wieder c4 und gar nicht so schlecht, wie ich während der Partie dachte. Ich stand zwar gedrückt aber doch stabil, bis ich eine Taktik übersah und auch das Gefühl hatte, ich sei nicht so frisch wie am Vortag… die Partie ging leider baden, auch zu Recht. 2,5/4 - nun musste ich mal wieder was tun, wenn ich am Ball bleiben wollte. Ich bekam wieder einen vermeintlich Schwächeren, doch Philipp Hötte (2014/2008), 17 Jahre alt, war ein starke Jugendlicher aus Paderborn, der am Ende 17. Wurde sich um 50 Punkte verbesserte. Mit Skandinavisch überraschte ich ihn offensichtlich und es ergab sich ein früher Damentausch und ein zähes Ringen mit je 7 Bauern und allen anderen Figuren. Ich stand gedrückt und konnte mich mit manchmal kuriosen Manövern langsam aus der Umklammerung befreien. Zug um Zug wurde die Stellung besser und nach über 5 Stunden, nass geschwitzt, konnte ich den Sieg einfahren. Die Art des Sieges hatte mich zufriedener gestellt, als der Sieg gegen Meijers, weil es einfach ein zäher Kampf war. Hötte gewann danach die restlichen beiden Partien und es war die einzige Verlustpartie, die ich zu verzeichnen hatte.

Sonntags morgens musste ich dann, in noch größerer Wärme gegen die Nr.4 des Turniers – Ingemars Jesse (2326/2349) ran, der unbedingt gewinnen wollte und musste, um noch was zu reißen. Eine im Nachhinein komische Partie, in der ich mich immer recht wohl gefühlt hatte. Ich spielte Holländisch und er eine seltene Variante mit c3 und Db3 – ich entgegnete gut und kam in ein umkämpftes Mittelspiel. Fritz wies oft bis zu +2 für Jesse aus…und ich spielte offensichtlich oft nicht die besten Züge, konnte aber das Spiel letztlich in ein klares Remis abwickeln. Remis??? Oh nein, Herr Jesse wollte unbedingt gewinnen und anstatt ein Dauerschach zu akzeptieren, ließ er sich die Damen tauschen und verlor dabei den entscheidenden Bauern und damit die Partie und spielte auch noch weiter, wo jeder andere aufgegeben hätte. Die Figuren flogen letztlich noch übers Brett vom wütenden Gegner… selbst Schuld. Tja, 4,5/6 – und in der letzten Runde Martin Molinaroli aus Münster (2266/2303). Bei einem Sieg wäre ich 4. geworden… und ich spielte mit c4 und Weiß eine richtig gute Partie, viel besser objektiv als gegen Jesse, gewann einen gesunden Mehr- wenn auch Doppelbauern. Mehrfach hätte ich in den sicheren Remishafen fahren können, doch ich klammerte am Bauern und suchte nach den letzten Siegchancen – und wurde überrumpelt, verlor beide Bauern und musste mit Turm Springer und g und h Bauern gegen Turm Läufer und f,g und h Bauern kämpfen. Lange hatte ich das richtige Verteidigungskonzept, bis ich schließlich mit dem König ungünstig in ein Abzugsschach gezwungen wurde und die Stellung baden ging. Sehr ärgerlich, weil dies lange eine der besten Partien war seit längerem… 5 Punkte wären möglich gewesen, so waren es 4,5 Punkte, aber gegen eine Gegnerschaft, die ich so noch nie hatte!

Erschöpft und nach dem Frust über die letzte Partie zufrieden fuhr ich heim und wundere mich noch immer über derartige Erfolge ohne Training…